
Kleines (Vor-)Weihnachtswunder
In der Adventszeit laufen noch viele Vorbereitungen für die Gottesdienstorganisation an Weihnachten. Manches sollte aber schon früher geklärt sein, z.B. wer an den Weihnachtsgottesdiensten die Orgel spielt.
In jenem Jahr war das anders. Von Woche zu Woche klang die Stimme der Pfarramtssekretärin sorgenvoller: „Ich hab für Heiligabend und Weihnachten immer noch niemanden gefunden.“ Es kann jedoch schon mal vorkommen, dass zwei Organisten gerade im selben Jahr nicht spielen können.

Und es betraf nicht nur die beiden Gottesdienste an Heiligabend, sondern auch die beiden am 1. Weihnachtstag.
Es kam die dritte Adventswoche – immer noch keine besseren Nachrichten. Sämtliche Möglichkeiten an Personen waren ausgereizt, denn jeder und jede, die angefragt wurden, war bereits für die Weihnachtsgottesdienste woanders eingeteilt.
Dann war ich Mitte Dezember für eine Beerdigung in der Feierhalle eines Bestattungshauses etwa 15 km entfernt. Nach der Feier fragte ich die Organistin, ob sie nicht zufällig an Weihnachten noch Zeit hätte. Sie lächelte – „leider nein, ich bin schon verplant. Aber das geht doch nicht, dass bei Ihnen niemand die Orgel spielt.“ Der Bestatter kam zum Gespräch dazu und gemeinsam standen wir nun beieinander und überlegten die prekäre Situation. Haben wir wirklich keine Möglichkeit übersehen? Etwas aus der „Konserve“, also von CD oder per Smartphone abspielen? Keine so gute Idee. Dann erinnerte sich die Organistin, wie sich jemand im Pfarramt ihrer Gemeinde erkundigt habe, der Organistendienst angeboten hat. „Aber das ist bestimmt schon zwei Monate her. Da haben wir unseren Plan schon fertig gehabt, deshalb gab es für ihn keine Möglichkeit. Soll ich unsere Pfarrerin mal anrufen?“ „Ja, wenn Sie noch Zeit haben, gerne.“ Unser Gespräch dauerte schon eine ganze Weile. „Nur der Anrufbeantworter. Und bestimmt hat der Organist mittlerweile etwas gefunden. Aber ich sag mal der Pfarrerin, dass sie danach schauen soll.“
Wir verabschiedeten uns und ich hatte das Gefühl, dass auch dieser letzte Strohhalm nichts bringen würde.
Zwei Tage später erreichte mich die E-Mail meiner Pfarrerskollegin. Darin stand eine Telefonnummer. Den Namen hatte sie nicht notiert, nur diese Nummer von einem Mann, der schon vor Wochen wegen der Möglichkeit angefragt hatte, einen Gottesdienst auf der Orgel zu begleiten.
Mein umgehender Anruf erreichte – na klar – einen Anrufbeantworter. Aber ich konnte zumindest eine Nachricht hinterlassen und um einen Rückruf bitten.
Zwei Tage lang passierte nichts – außer den Planungen für die musikalische Unterstützung der Weihnachtsgottesdienste durch CDs. Dann ein Telefonanruf: „Sie hatten bei mir angerufen wegen dem Organistendienst an Weihnachten?“ „Ja“, erwiderte ich. „Sie sind – gewissermaßen – mein letzter Strohhalm, um noch wenigstens einen der Gottesdienste mit der Orgel zu gestalten.“ „Tut mir Leid, ich war beruflich unterwegs, darum melde ich mich erst heute. Sie sagten, es wären noch die beiden Gottesdienste an Heiligabend und am 1. Feiertag offen?“ „Ja genau. Können Sie denn einen der Organistendienste übernehmen?“ „Ich kann auch alle vier übernehmen.“ Damit hatte ich nicht gerechnet. Und in diesem Moment schossen mir ganz viele Gedanken durch den Kopf: Wunderbar! Unglaublich! So ein Glück! Aber Moment! Wieso kann er alle vier Organistendienste übernehmen? Welche Qualifikation hat er eigentlich – und kann er wirklich Orgelspielen? Schäm dich, solche Gedanken zu haben! Sei doch froh! Besser als nichts – auf jeden Fall besser als der Kampf mit dem CD-Player in der Sakristei, der manche CDs aus unerfindlichen Gründen nicht mochte.
„Ja gerne – das ist ja wunderbar!“, platzte es aus mir heraus.
Am nächsten Tag erlebte ich meine Sekretärin fast ebenso sprachlos über die gute Nachricht.
Und wir erlebten ein kleines Wunder, das noch anwuchs durch einen wirklich hervorragenden Organisten. Er war wegen Umzugs und beruflichem Ortswechsel davon ausgegangen, dass er in diesem Jahr keinen Weihnachtsgottesdienst hätte spielen können, weil bei seiner Nachfrage alles schon belegt war.
Manche Gelegenheiten bieten ungeahnte Möglichkeiten – sogar Beerdigungen.
Pfr. Epperlein

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