Von drauß’ vom Walde komm ich her
„Von drauß’ vom Walde komm ich her;
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Allüberall auf den Tannenspitzen
sah ich goldene Lichtlein sitzen;
Und droben aus dem Himmelstor
sah mit großen Augen das Christkind hervor,
„Knecht Ruprecht“, rief es, „alter Gesell“
„Ach sei doch ruhig“, grummelte Knecht Ruprecht zurück,
„dieses Jahr nicht! Mir ist der Appetit auf Weihnachten gründlich vergangen“
„Wie bitte?“, fragte das Christkind mit noch größeren Augen.
„Das Jahr 2020 halt, Corona und so! Glaubst Du da hat irgendjemand Lust auf
Weihnachten? Markt und Straßen stehen verlassen mal ganz, ganz wörtlich genommen.
Zumindest still erleuchtet sind die Häuser, halt ohne Weihnachtsmarkt mit Glühwein und Keksen…
Musik und Singen ist auch verboten. Und heute kriegst Du garantiert auch keinen Platz in der Herberge.“
„Und das ist für Dich Weihnachten?“ kam es aus dem Himmelstor zurück.
„Na ja, auch…“, stammelte er. „Aber Weihnachten ist doch ein Gefühl, in einem drin; das will dieses Jahr einfach nicht kommen. Corona, Politik, Wahlen, Klimawandel, Wirtschaftskrise, Lockdown, Quarantäne, Reisewarnungen, Besuchsverbote, Krankheit; das macht das doch alles zunichte. Die Menschen haben einfach keine Lust. Und Schnee gibt es sowieso schon seit Jahren keinen mehr.“
Nachdenklich sah ihn das Christkind an. „Aber ist Weihnachten nicht viel mehr als ein bloßes Gefühl? Neuanfang und Hoffnung? Ein neues Licht in der Dunkelheit? Glaubst Du etwa, dass in einem Stall in Bethlehem geboren zu werden, nicht auch unangenehm war? Und gefährlich für ein Kind? In der Herberge wäre es bestimmt viel schöner gewesen. Und trotzdem, sieh was daraus geworden ist: Eine neue Hoffnung. Und das ist nicht aktuell? Ist es nicht das, was die Menschen gerade brauchen?“
„Aber werden die Menschen in der Situation überhaupt zuhören? Interessiert sie das gerade überhaupt?“, fragte er.
„Wie wäre es, wenn wir es ausprobieren würden mit dem neuen Licht. Denn dunkel genug ist es jetzt ja sowieso schon“, antwortete es. „Also:“
„Hebe die Beine und spute Dich schnell.
Die Kerzen fangen zu brennen an,
das Himmelstor ist aufgetan.
„Alt’ und Junge sollen nun
„Von der Jagd des Lebens einmal ruhn“
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